Immer mehr Reichtum für wenige

Immer mehr Reichtum für wenige

Ungleichheit in der Schweiz ist der Titel des Caritas-Almanachs 2023. Er beinhaltet eine umfangreiche Sammlung von Beiträgen über Fakten und Konsequenzen zunehmender Ungleichheit. «Da die hohen Vermögen und Einkommen nur beschränkt durch eigene Leistungen, sondern vor allem dank guter Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Vorleistungen möglich sind, sollten die damit zusammenhängenden Sondererträge wiederum der Öffentlichkeit zugutekommen», sagen Robert Fluder, Hans Baumann und Rudolf Farys in ihrem Beitrag für den diesjährigen Almanach.

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Zinspolitik verschärft Wohnungsnot

Die Zinspolitik der SNB befeuert die Wohnungsnot

Hans Baumann17. Februar 2023

Als Reaktion auf die steigende Teuerung hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) im letzten Dezember den Leitzins nochmals um 0,5 Prozent auf 1 Prozent erhöht. Sie folgte damit der Europäischen Zentralbank und der US-Zentralbank. Die höheren Zinsen sollten helfen, die Preise zu stabilisieren. Vor allem für Personen mit tiefen und mittleren Einkommen sind die steigenden Preise ein grosses Pro­blem. Massnahmen zur Kaufkrafterhaltung sind deshalb zweifellos nötig.

GROSSE SKEPSIS. In der Schweiz betrug die Teuerung im letzten Jahr 2,8 Prozent und war im November und Dezember 2022 rückläufig. Im Vergleich zu vielen europäischen Ländern, die immer noch mit Inflationsraten von 10 Prozent und mehr konfrontiert sind, ist das erfreulich. Hält der Trend an, sollte die Inflation in der Schweiz schon Ende Jahr wieder bei maximal 2 Prozent liegen. Das ist das Ziel der SNB. Trotzdem behält sich die Nationalbank vor, die Leitzinsen diesen Frühling nochmals zu erhöhen. Dabei zweifeln viele Ökonominnen und Ökonomen daran, ob das Schrauben an den Zinsen in der heutigen Situation überhaupt wirksam sei. Die gegen­wärtige Teuerung wurde nämlich nicht durch eine zu hohe Nachfrage ver­ursacht, sondern weil Rohstoff- und Energiekonzerne die Preise nach oben trieben. Eine Dämpfung der Nachfrage, auf die die Zinserhöhung abzielt, nützt in diesem Fall also wenig gegen die Inflation. Sie bewirkt hingegen, dass ­Unternehmen weniger investieren und auch weniger gebaut wird.

MIETEN STEIGEN. Deshalb ist die Zinserhöhung auch für Mieterinnen und Mieter eine schlechte Nachricht. Denn steigende Hypothekarzinsen führen zu steigenden Mieten. Und weil der Wohnungsleerstand schon heute sehr tief ist, wird es für viele Menschen immer schwieriger, ein bezahlbares Zuhause zu finden.

Die Zahlen zeigen: Der Wohnungsbau ist seit einigen Jahren rückläufig, insbesondere in den Grossstädten und den Agglos, wo die Wohnungsnot gross ist und mehr Wohnraum entstehen müsste (siehe Grafik). Es besteht die Gefahr, dass die SNB mit ihren Zinserhöhungen den Wohnungsbau jetzt noch mehr abwürgt.

Im Moment wächst die Schweizer Wirtschaft noch leicht, und die Arbeitslosigkeit ist tief. Doch auch dies kann sich durch eine verfehlte Zinspolitik schnell ändern. Dies ist Ende der 1980er Jahre passiert in einer ähnlichen Situation: Die verfehlte Geldpolitik der Nationalbank bescherte der Schweiz damals fast zehn Jahre Rezession.

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Schweizer Wirtschaft: Globaler geht kaum

Schweizer Wirtschaft: Globaler geht kaum

Hans Baumann, erschienen im work, 16. Dezember 2022

Quelle: Arman Spéth, Globale Warenketten, Arbeitsarbitrage und die Schweiz. In: Widerspruch Nr. 79 2022

Die Schweiz hat eine im höchsten Grad globalisierte Wirtschaft. Das misst sich nicht nur am Anteil des Aussenhandels an unserem Bruttoinland­produkt, sondern auch am Volumen der Investitionen, die von Schweizer Konzernen im Ausland getätigt werden. Laut der Schweizerischen Nationalbank (SNB) beschäftigten Schweizer Konzerne über zwei Millionen Menschen in Tochterbetrieben im Ausland. Weit über die Hälfte davon in Europa und in Nordamerika, rund 750’000 im globalen ­Süden. Damit hält die Schweiz im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl wahrscheinlich den Weltrekord.

AUSGENUTZT. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen den Investitionen, die Schweizer Konzerne in ­Europa und Nordamerika tätigen, und jenen, die sie in den Ländern des globalen Südens tätigen. Der Grossteil der Direktinvestitionen in Europa und Nordamerika besteht aus Firmen, die durch Fusion oder Zukauf in den Konzernbesitz gekommen sind. Es sind also keine Neuinvestitionen, sondern es werden bestehende Produktions­anlagen übernommen. Bei Schweizer Investitionen im globalen Süden ist das anders: ein grosser Teil besteht dort tatsächlich aus Neuinvestitionen, die getätigt werden, um das riesige Lohngefälle zwischen der Schweiz und diesen Ländern auszunützen und um höhere Profite zu erzielen.

AUSGELAGERT. Im globalen Süden ­arbeiten zudem viel mehr Beschäftigte für Schweizer Firmen als jene 750’000, die die Nationalbank ausweist. Denn: sie zählt nur Beschäftigte von Firmen, an denen Schweizer Konzerne eine massgebende Beteiligung haben. Nicht eingerechnet sind aber Subunternehmen oder Zulieferbetriebe. Wie viele Menschen im globalen Süden für den Export in die Schweiz tätig sind, hat der Sozialwissenschafter Arman Spéth ­untersucht. Er kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis: Allein in China, Indien, der Türkei und Mexiko arbeiteten im Jahr 2014 rund 800’000 Menschen für den exklusiven Export in die Schweiz, die meisten davon in Indien und China und ein grosser Teil in Zulieferbetrieben für die Schweizer Indus­trie. Gemessen an den rund 1,1 Millionen Menschen, die in der Schweiz im industriellen und gewerblichen Sektor angestellt sind, zeigt sich, welch riesige Anzahl von industriellen Arbeitsplätzen in den 2000er Jahren vom Norden in den globalen Süden verlagert wurden. In den letzten Jahren stockt die Globalisierung allerdings. Einige Konzerne haben umstrukturiert und deshalb Desinvestitionen vorgenommen. Seit den Pandemiejahren werden sogar wieder Produktionsstätten zurückverlagert. Gründe hierfür sind das geringere Wachstum in Südostasien, die Unterbrechung der Lieferketten und die damit verbundenen einseitigen Abhängigkeiten.

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Arbeitsvolumen: Frauen leisten am meisten

Steigendes Arbeitsvolumen: Frauen leisten am meisten

Das Arbeitsvolumen, also das Total aller geleisteten Arbeitsstunden, nahm in der Schweiz im letzten Jahr wieder deutlich zu. 2021 wurden 7,8 Milliarden bezahlte Arbeitsstunden geleistet, ein Plus von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings wurde damit noch nicht ganz wieder der Stand von vor der Pan­demie erreicht. Im ersten Pandemiejahr 2020 gingen die geleisteten ­bezahlten Arbeitsstunden nämlich stark zurück. Dies vor allem wegen der nötigen Kurzarbeit und anderer, krankheitsbedingter Absenzen.

MEHR CARE-ARBEIT. Die Zahl der unbezahlten Arbeitsstunden – also der Haus-, Familien- und Freiwilligen­arbeit – erreichte im Pandemiejahr 2020 hingegen mit 9,8 Milliarden Stunden einen neuen Höchststand. Dies ist nicht verwunderlich, mussten doch in der Pandemie nicht nur im Gesundheitssektor, sondern auch innerhalb der Familie mehr Menschen gepflegt und betreut werden. Laut Schätzungen ist diese Zahl 2021 ähnlich hoch geblieben (siehe Grafik). Demnach werden in der Schweiz pro Jahr rund 2 Milliarden Stunden mehr unbezahlte als bezahlte Arbeit geleistet.

GESCHLECHTERGRABEN. In den letzten 20 Jahren zeigt die Entwicklung des Arbeitsvolumens eine deutliche Zunahme der bezahlten Arbeit, trotz einem geringen, aber kontinuier­lichen Rückgang der Wochen- bzw. Jahresarbeitszeit. Zurückzuführen ist das vor allem auf eine Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit und auf die Zuwanderung von Erwerbstätigen. Bemerkenswert ist aber auch hier der Vergleich zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit: Das Volumen der unbezahlten Arbeit ist seit der Jahrtausendwende viel stärker angestiegen als dasjenige der bezahlten ­Arbeit. Nämlich um über 22 Prozent gegenüber gut 13 Prozent bei der ­bezahlten Arbeit.

Mit 5,9 Milliarden Stunden leisten Frauen einen viel grösseren Anteil der unbezahlten Arbeit als Männer (3,9 Milliarden Stunden), auch wenn ihr Anteil sich in den letzten 20 Jahren leicht erhöht hat. Auch bei der Gesamtzahl aller geleisteten Arbeitsstunden liegen die Frauen mit fast 9 Milliarden Stunden gegenüber den Männern mit rund 8,7 Milliarden Stunden vorne. Sicher ist: Ohne die unbezahlte Familien- und Hausarbeit würde wohl gar nichts mehr gehen. Sie ist unentbehrlich für das Funktionieren unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft und für unseren Wohlstand.

Hans Baumann, erschienen im work, 4. November 2022

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Teuerung trifft Haushalte mit tiefen Einkommen stärker

Teuerung trifft Haushalte mit tiefen Einkommen stärker

Hans Baumann, erschienen im work, 16. September 2022

Wenn jetzt die Preise steigen, trifft das die Haushalte mit tiefen Einkommen hart. Denn die Kaufkraft ihres Einkommens sinkt stärker als jene bei mittleren und höheren Einkommen. Der Grund dafür: Personen mit wenig Einkommen müssen einen grösseren Teil davon für den täglichen Gebrauch und fürs Wohnen ausgeben. Also für Essen und Trinken sowie für Miete und Energiekosten. Und diese Preise sind seit Jahresfrist stärker gestiegen als etwa jene für Bekleidung und Möbel.

REICHE WENIGER BETROFFEN. Eine Untersuchung in Grossbritannien hat aufgezeigt, wie sich die unterschiedliche Zusammensetzung der Ausgaben auf die Einkommens­gruppen auswirkt. Unser Diagramm zeigt die Unterschiede umgerechnet auf die schweizerische Situa­tion mit einem durchschnittlichen Anstieg der Konsumentenpreise von 3,5 Prozent im August 2022. Der Warenkorb der Haushalte in den mittleren Einkommensgruppen hat eine Teuerung von 3,5 bis 3,7 Prozent. Für Haushalte mit tiefen Einkommen erhöhen sich hingegen die Konsumpreise um 3,8 bis 4,2 Prozent. Der Zehntel mit den höchsten Einkommen ist hingegen nur von einer Teuerung von 3,1 Prozent betroffen.

TEUERUNGSAUSGLEICH JETZT! Eine höhere Teuerung hat demnach auch Auswirkungen auf die Einkommensverteilung: Tiefe Löhne verlieren (noch) mehr an Kaufkraft, hohe Einkommen verlieren weniger. Auch aus gewerkschaftlicher Sicht ist deshalb eine hohe Teuerung ­problematisch. Drastische Gegenmassnahmen seitens der

Nationalbank wie eine schnelle Zins­erhöhung können jedoch zu Rezession und Arbeitslosigkeit führen. Was wiederum oft diejenigen mit geringeren Einkommen trifft. Besser wäre es etwa, die Extraprofite der Energiekonzerne zu besteuern und mit diesen Mitteln Haushalten mit mittleren und tiefen Einkommen die Heizkosten zu verbilligen.Die wichtigste Antwort auf die ­steigende Teuerung sind aber ein ­Teuerungsausgleich und Lohn­erhöhungen. Die tiefen Einkommen müssen dabei mehr angehoben werden, weil sie stärker von der Teuerung betroffen sind, etwa durch einen einheitlichen ­Teuerungsausgleich in Franken für alle oder eine deutliche Anhebung der vertraglichen und gesetzlichen Mindestlöhne.

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Die Reichsten verursachen am meisten CO2

Die Reichsten verursachen am meisten CO2

Hans Baumann, erschienen im work, 20. Mai 2022

Die Ungleichheit bei den erzeugten CO2-Emissionen ist beträchtlich. Weltweit, aber auch innerhalb einzelner Länder und Regionen. So verursachen die reichsten 10 Prozent der Welt­bevölkerung fast die Hälfte aller klimaschädigenden CO2-Emissionen. Die ­ärmere Hälfte der Bevölkerung verursacht dagegen nur ganze 12 Prozent. Selbst das allerreichste Prozent ­verursacht mit 17 Prozent noch mehr CO2-Emissionen als die ärmeren 50 Prozent der Bevölkerung.

REICHE KLIMAFEINDE. Dies ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass die wohlhabenden Regionen der Welt am meisten CO2 erzeugen. Zwar stimmt es, dass die durchschnittlichen Pro-Kopf- Emissionen in den USA rund doppelt so hoch sind wie in Europa und etwa viermal so hoch wie in Lateinamerika. Aber auch innerhalb der USA oder Europas sind die Emissionsunterschiede zwischen Arm und Reich riesig. So betragen in Europa die CO2-Emissionen bei den reichsten 10 Prozent fast 30 Tonnen pro Jahr und Kopf, während die ­unteren 50 Prozent der Bevölkerung pro Kopf nur 5,1 Tonnen verbrauchen. In vielen Industrieländern hat der CO2-Ausstoss pro Kopf bei der ärmeren Hälfte der Bevölkerung seit 1990 abgenommen, bei den reichsten 10 Prozent jedoch nochmals deutlich zugenommen. Die Schere zwischen unten und oben ist grösser geworden. Für die Schweiz gibt es solche Daten nicht, aber sie dürften in einer ähnlichen Grössenordnung liegen. Sollen die Ziele des Weltklimarates erreicht werden (Erderwärmung maximal + 1,5 Prozent), müssten die CO2-Emissionen pro Kopf auf etwa 2,2 Tonnen verkleinert werden. Das würde am Beispiel Europas für die ärmeren 50 Prozent der Bevölkerung eine gute Halbierung bedeuten, in diese Richtung geht auch der Trend. Ganz anders sieht es bei den reichsten 10 Prozent aus: Sie müssten ihren CO2-Ausstoss um über 90 Prozent reduzieren.

WER BEZAHLT? «Klimagerechtigkeit» heisst, dass nicht nur die reichen Länder, sondern auch die reicheren Schichten der Bevölkerung einen überdurchschnittlichen Anteil an der Reduktion der CO2-Emissionen zu leisten haben. Sie haben bisher auch überdurchschnittlich vom Ressourcen­verbrauch dieser Erde profitiert. Für die gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre geht es konkret auch um die Frage, wer die ­nötigen Massnahmen zur Bewältigung der Klimakrise, also dem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, bezahlen soll.

(Quelle: World Inequalitiy Database, Chancel (2021)

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Die Schweiz ist hoch gerüstet

Schweiz bereits heute hochgerüstet

Hans Baumann, erschienen im Work, 1. April 2022



Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine und der erschreckenden Kriegsbilder aus dieser Region werden die Stimmen nach Aufrüstung immer lauter, auch in der Schweiz. Es ist nachvollziehbar, dass viele Menschen jetzt Angst haben und das Sicherheitsbedürfnis steigt. Gleich­zeitig ist aber offensichtlich, dass Konflikte nicht mit einem Ankurbeln der Rüstungsspirale, mit Waffengewalt und Krieg gelöst werden können.

RÜSTUNGSREKORD. Oft wird von der Rechten und der Rüstungslobby behauptet, es werde seit dem Fall der Mauer im Jahr 1989 immer weniger für das Militär ausgegeben. Die Fakten widerlegen dies deutlich. In der Schweiz erreichte der Rüstungsetat im Jahr 2020 mit 5,7 Milliarden ­Dollar (rund 5,4 Milliarden Franken) einen neuen Rekord. Zu Beginn der 1990er Jahre lagen die Militäraus­gaben bei gut 4 Milliarden pro Jahr, gingen dann zurück und erhöhten sich im neuen Jahrtausend wieder kontinuierlich. Im internationalen Vergleich werden in der Schweiz die Rüstungsausgaben oft an ihrem Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) gemessen und liegen so mit 0,8 Prozent des BIP eher tief. Dabei wird übersehen, dass die Schweiz im Verhältnis zur Bevölkerungszahl eines der höchsten BIP der Welt hat. Werden die Rüstungsausgaben pro Kopf der Bevölkerung gemessen, so wie es das renommierte Internationale Friedensinstitut in Stockholm SIPRI ausrechnet, sieht die Sache anders aus. Die Schweiz gehört hier mit 659 Dollar zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben. Die ­Militärausgaben sind höher als im Nachbar- und Natoland Deutschland und höher als im ebenfalls neutralen Schweden, das flächenmässig mehr als zehnmal grösser ist.

RICHTIG RECHNEN! In vielen Ländern beinhalten die Militärbudgets allerdings auch die Zivilschutzausgaben, in der Schweiz nicht. Zudem sind bei den Schweizer Zahlen die Militärausgaben der Kantone und Gemeinden sowie die Versicherungs- und Erwerbsersatzleistungen nicht enthalten (work berichtete). Zählt man diese Leistungen hinzu, dürfte die Schweiz Pro-Kopf-Militäraus­gaben von über 900 Dollar aufweisen und damit in Europa nur noch vom Natoland Norwegen übertroffen werden. Die Schweiz ist bereits ­heute hochgerüstet. Ein weiterer Ausbau der Armee würde die Rüstungsspirale ankurbeln und wäre kein Beitrag zur Friedenssicherung.

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Reiche bedrohen Demokratie

Superreiche bedrohen Demokratie

Die Superreichen bedrohen die Demokratie

Hans Baumann, erschienen im work, 18. Februar 2022

DIE SCHERE GEHT AUF. Die kürzlich veröffentlichten Zahlen der Steuerverwaltung für 2018 zeigen einen steilen Anstieg der höchsten Vermögen in der Schweiz. Das reichste Prozent der Steuerzahlenden besass Anfang der 1990er Jahre 30 Prozent aller Vermögen, was im internationalen Vergleich schon damals ein Spitzenwert war. Bis 2018 ist dieser Anteil auf fast 45 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass die Wohlhabendsten ihren Anteil am Gesamtvermögen innert knapp dreier Jahrzehnte um 50 Prozent steigern konnten. Auch im Ländervergleich heben die Schweizer Reichen ab. Selbst in den Vereinigten Staaten, die eine ähnlich ungleiche Vermögensverteilung aufweisen, betrug der Anstieg seit 1990 «nur» 35 Prozent.

Quelle: ESTV, Gesamtschweizerische Vermögensstatistik (ohne Berücksichtigung der BVG-Ersparnisse), World Inequality Data WID.

REKORD-ZUWACHS. Ganz anders sieht es am anderen Ende der Wohlstandsverteilung aus. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besass 2018 nach wie vor nur 1,3 Prozent des Gesamtvermögens, sogar etwas weniger als 1990. In absoluten Zahlen: Gegen drei Millionen Steuerpflichtige verfügten über ein Vermögen von etwa 28 Milliarden Franken. Die 80 000 Reichsten in der Schweiz versteuerten hingegen rund 970 Milliarden Franken! Auch nach 2018, also während der Coronajahre, ist die Verteilung ungleicher geworden. Gemäss Weltbank konnten die 10 reichsten Männer der Welt ihr Vermögen seit Beginn der Pandemie sogar verdoppeln. Auch in der Schweiz konnten die 300 reichsten Personen ihr Vermögen im Coronajahr 2021 deutlich steigern, nämlich gleich um 115 Milliarden Franken. Das war der höchste jährliche Zuwachs seit Einführung des «Bilanz»-Rankings im Jahr 1989.

MEINUNGSMACHER. Die zunehmende Ungleichheit beim Vermögen ist ein wirtschaftliches und soziales Problem, weil immer mehr Vermögen dort angelegt werden, wo am meisten Rendite winkt, anstatt dort, wo tatsächliche Bedürfnisse vorhanden sind. Aber auch politisch kann diese Ungleichheit grosse Machtverschiebungen bewirken und demokratische Entscheide in Frage stellen. Einen kleinen Vorgeschmack dazu haben wir in der Schweiz anlässlich der Volksabstimmungen vom 28. November 2021 bekommen. Die Propagandamaschinerie für die «Justizinitiative» und gegen das Covid-19-Gesetz wurde zum grössten Teil von drei Superreichen finanziert, dem Unternehmer Adrian Gasser und den Milliardärinnen Simone Wietlisbach und Rahel Blocher.

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind diesmal zwar nicht auf deren Abstimmungskampagnen hereingefallen. Aber wie lange kann das noch gutgehen? Bei knappem Ausgang kann der finanzielle Einsatz einzelner Superreicher durchaus entscheidend sein. Es ist deshalb für das Funktionieren unseres demokratischen Systems nötig, die immer mehr auseinanderklaffende Schere bei der Vermögensverteilung wieder zu schliessen. Sonst laufen wir Gefahr, dass reiche Familien und Unternehmen das demokratische System aushebeln.

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Eine Solidaritätsabgabe auf hohen Vermögen

Eine Solidaritätsabgabe auf hohen Vermögen

Zur Bewältigung aktueller und zukünftiger Krisen schlagen wir eine Solidaritätsabgabe auf hohen Vermögen vor. Diese Abgabe betrifft nur wenige hohe Vermögen und soll der öffentlichen Hand rund 40 Milliarden Franken zur Krisenbewältigung und Zukunftsprojekte einbringen.

Mit der Klima- und der Coronakrise sind wir in eine neue Epoche eingetreten. Wir auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit Krisen konfrontiert, aus denen es kein Zurück zum Zustand vor den Krisen mehr geben wird. Klimaerhitzung, wirtschaftliche Turbulenzen, Pandemien, Einbrüche in der Nahrungs- und Wasserversorgung, politische und soziale Verwerfungen usw. verbinden sich zu Problemlagen, die uns fundamental herausfordern. Die Eindämmung und die Bewältigung dieser Krisen lösen einen enormen öffentlichen Finanzbedarf aus. Zum Beispiel müssen wir mit der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft rasche Fortschritte machen, damit der Klimawandel so gut wie noch möglich eingedämmt werden kann. Es geht aber auch – und in zunehmendem Masse – um die Bewältigung der Folgen der Klimaerhitzung, z.B. in den Bereichen Hochwasser, Schutz vor Extremhitze, Umstellungen in der Landwirtschaft, Schutz vor den Folgen des Auftauens von Permafrost in den Bergen usw.. Und ebenso braucht es ein hohes Engagement, um armen Ländern bei der Krisenbewältigung unter die Arme zu greifen. Zur Beschaffung der finanziellen Ressourcen braucht es Sondersteuern, wie sie in der neueren Geschichte in Krisenzeiten schon wiederholt erhoben worden sind. Im folgenden präsentieren wir den Vorschlag einer Solidaritäts-Vermögensabgabe. Sie verbindet die Mittelbeschaffung mit einer Rückverteilung von Vermögenswerten von oben nach unten, also aus den spekulativ geladenen Finanzmärkten in die Nützlichkeitszonen der Gesellschaft, und trifft damit zwei Fliegen auf einen Schlag.

Gegenwärtig sind die hohen privaten Vermögen in der Schweiz ein enormes und nur wenig genutztes Steuerpotential. So ist das Reinvermögen in der Schweiz in den letzten Jahren massiv angestiegen, insbesondere auch im Vergleich zur Entwicklung bei den Einkommen. Pro Kopf betrug das Vermögen im Jahr 2019 durchschnittlich CHF 460‘000.- und lag damit zwei bis drei Mal über dem Durchschnitt der Nachbarländer (Annaheim & Heim 2021). Der Durchschnitt sagt jedoch nicht viel aus, denn diese Vermögen sind überaus ungleich verteilt. So verfügen alleine schon die 0.3% Reichsten über fast ein Drittel aller Vermögenswerte (30.9%). Während sich die Vermögen über eine längere Periode ähnlich entwickelten wie die Einkommen, sind sie in den letzten 20 Jahren deutlich stärker angestiegen. Heute entspricht gemäss Baselgia und Martinez (2020) das private Vermögen in der Schweiz dem 7.4-fachen des Nationaleinkommens.



Vermögensabgaben sind in der Geschichte der letzten hundert Jahre wiederholt erhoben worden. Sie sind also ein «klassisches» Instrument, um Mittel zur Bewältigung aussergewöhnlicher Krisen zu beschaffen.

Folgendes sind die Eckwerte des Modells: Erhoben werden soll die Abgabe auf Vermögensanteile, die über einer hohen Freigrenze von fünf Millionen CHF liegen. Die Abgabe soll während mindestens zehn Jahren geschuldet sein. Der jährliche Steuersatz soll bei drei, vier und fünf Prozent liegen, progressiv abgestuft nach der Höhe des Gesamtvermögens. Der geschätzte Ertrag einer solchen Abgabe beläuft sich über die gesamten zehn Jahre auf CHF 400 Mrd (40 Mrd pro Jahr). Die Ausrichtung der Abgabe auf hohe Vermögensanteile ist gut begründet, wie wir im Text genauer ausführen werden. Unter anderem ist es gerade ja die Dynamik der gesteigerten Profite und Vermögenserträge, die erheblich zur Verschärfung diverser Problemlagen beigetragen hat (Klimaerhitzung, verschärfte Standortkonkurrenz und zunehmender Steuerwettbewerb nach unten, wachsende soziale Spannungen). Ein Korrektur dieser ungleichen Verteilung des Reichtums dämpft also auch diese Dynamik.

Sonder-Vermögensabgaben sind unserer Auffassung nach keine Alternative zu permanenten Steuern, sondern eine Ergänzung im Hinblick auf die Bewältigung ausserordentlicher Krisen. In solchen Krisen fallen sehr hohe Ausgaben an, und entsprechend nimmt auch der öffentliche Mittelbedarf sprunghaft zu. Eine Sondersteuer muss für solche ausserordentliche Ausgaben konzipiert sein, nicht für regelmässige Ausgaben (für die es eben auch regelmässige Einnahmen braucht). Eine Sondersteuer kann zudem rasch realisiert werden, weil sie ausserhalb des oft komplexen Gefüges der gegebenen steuerlichen Regelungen konzipiert ist. Gerade in Krisenzeiten ist es dabei besonders angezeigt, sozial ausgleichende Sondersteuern zu erheben. Krisen treffen in aller Regel in die weniger begüterten Leute stärker als die Reichen; überdies erweisen sich viele Reiche oft als eigentliche Krisengewinnler (wie gerade wieder in der Coronakrise). Mit einer Vermögensabgabe kann die dadurch nochmals ansteigende materielle Ungleichheit erfolgreich kompensiert werden.

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